STEPHAN THIEL

VINCENT

nach dem Roman von Joey Goebel

 

mit MATHIS FREYGANG, ANDREAS GUGLIELMETTI, NADJA PETRI, GABRIELE VÖLSCH

Bühne und Produktion CHRISTIANE HERCHER

Musik MARKUS HÜBNER

 

Premiere 22. OKTOBER 2009

Theater unterm Dach Berlin

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Leipziger Volkszeitung

MARIONETTEN DER UNTERHALTUNGSINDUSTRIE

Der niedliche Hund des kleinen Vincent ist tot. Freund Harlan spendet Trost und ermuntert den Jungen, seinen Schmerz in Verse und Noten gerinnen zu lassen. Vincent ist nämlich hoch begabt. Er ahnt nicht, daß sein väterlicher Freund in Wahrheit sein Manager ist.
In der Theaterschafft-Inszenierung "Vincent" sucht Harlan im Auftrage einer Geheimgesellschaft die wahre Kunst.
Den Hund hat er vergiftet: Die Wohlstandsgesellschaft ersticke in kreativem Stillstand, so das Credo der Organisation, statt Kunst lieferten lediglich saturierte Entertainer billige Massenware für ein geistig faules Publikum. Wahre Kunst könne nur der leidende Künstler erschaffen. Von seinem Schützling, den er der Mutter abgekauft hat, hält Harlan daher jede Freude, jede Hoffnung fern.
Ein großer thematischer Ansatz, Raum für die zentralen Sinnfragen. Der Name des Helden scheint folgerichtig bei van Gogh entlehnt. Im turbulenten Fortgang indes schnürt sich das Drama zu einer Parabel auf Glanz und Elend des Pop-Geschäfts ein. Es geht um Stars und Sternchen an den Marionettenfäden der Unterhaltungsindustrie, Vincent wird zum Leidensmann im Bermudadreieck zwischen Jim Morrison, Kurt Cobain und Michael Jackson.
Die faszinierendste Figur ist Harlan Eiffler, zerrissen zwischen hehrer Mission und allzumenschlichen Gefühlen, berauscht von der Macht über andere und doch selbst nur serviler Befehlsempfänger. Eine Paraderolle für den Schweizer Andreas Guglielmetti  Er zieht alle Register seines Könnens, sein allgegenwärtiges Agieren macht das Geflecht der verschachtelten Handlungsstränge erst durchschaubar.
Nebenher findet er noch Zeit für einen Abriß der Popgeschichte von der letzten U2-CD zurück zum Deltablues des Mississippi.
Nadja Petri läßt das unschuldige Genie des jungen Vincent sehr glaubhaft erstehen. Mit großen Augen und vollen Händen holt der Held seine fantastischen Ideen aus der Hosentasche und streut sie achtlos um sich – gleichzeitig sammelt er die Sympathiepunkte des Publikums ein.
Gabriele Völsch verkörpert allein sechs der zwölf Rollen, die Spanne reicht von Vincents erster, engelsreiner Backfischfreundin über die Popdiva Kristina bis zur Mutter des Genius, die gern lasziver Vamp wäre, aber doch nur eine Schlampe ist: Höchstnoten für die Geschwindigkeit beim Wechsel von Kostümen und Mimik.
Mathis Freygang schließlich gefällt vor allem in der Rolle des leicht wahnsinnigern Milliardärs, der hinter allem steckt.
Zusammen liefert das Quartett eine äußerst kurzweilige, spannende Inszenierung ab (Regie: Stephan Thiel) -
modernes Theater ohne aufgesetzte Modernismen. Nicht mal das eigentlich unnötige Happy-End nehmen die Zuschauer übel: An Kristinas Seite schreitet Vincent, der den Spuk durchschaut hat, aus dem Sumpf heraus ins Licht, beide erstarren in cooler Plattencover-Pose.

Die Organisation sucht das nächste Opfer.