STILLE WASSER – Boys Do Cry

mit: FRANZISKA HOFFMANN, SUSANNE JANSEN, NADJA PETRI, GABRIELE VÖLSCH

Musik: MASHA QRELLA Video: DIANA NÄCKE

Produktion: UWE LEHR Assistenz: MANUEL STAHL

Premiere 28. NOVEMBER 2013 LOFFT Leipzig und am 5. DEZEMBER 2013 Sophiensaele Berlin

Fotos: Lisa Grip

Griff in den Schritt
Mit wunderbaren Spielerinnen gelingt Stephan Thiel im Lofft eine böse Farce übers Manns-Bild

Männer als Thema eines Theaterabends. da winkt man stöhnend ab, gibt es doch nur noch eins, was noch abgedroschener ist als das Thema Männer – das Thema Männer und Frauen nämlich. Welches dann aber freilich auch Platz fand in Stephan Thiels „Stille Wasser -Boys Do cry“. Am Donnerstag war Premiere im Lofft.
Und man geht, mit Blick auf das zu Erwartende, schweren Schrittes dorthin, beladen mit dem Gedächtnisballast an einschlägige Filme, Publikationen und Comedy-Programme. Gedenkt der diesbezüglich ununterbrochenen Wort-Diarrhö, die seit Jahrzehnten soziologisch, feministisch, psychologisch oder komödiantisch flutet und an der Heerscharen mittelmäßiger Akademiker, Publizisten und (Klein-)Künstler selig partizipieren. Keinen Gedanken daran verschwendend, sich gelegentlich mal George Steiners Gewissensfrage für Intellektuelle zu stellen: Hat unser Sprechen Inhalt?
Und all das setzt sich nun also auch im Lofft fort. Widmet man sich doch dort mit „Stille Wasser – Boys Do Cry“ den Männern. Und natürlich sind die alles andere als stille Wasser.
Sie sind ja nicht mal männlich.
Also nicht richtig jedenfalls, denn auf der Bühne geben Fanziska Hoffmann, Susanne Jansen, Nadja Petri und Gabriele Völsch die wortreichen Kerle. Und sie machen das wunderbar.
In ihrer weißen Fechterkluft auf der Trainingsbank. In Posen und Neurosen. In Hypochondrie und Hybris, Aggressivität und Selbstmitleid. Mit Griff in den Schritt, als letztem Akt der Selbstvergewisserung.
Typen und Szenen zwischen Business und Bukowski, Kriegern und Kriechern, samt Bogenschlag von der Mann-Frau-Beziehungsschlacht im Reihenhaus hin zum großen Schlachten wegen einer Frau vor Troja.
Das Karikierte daran trifft, das polemische schneidet hübsche Muster. Und der Text, ein Konglomerat an Eigenkreation und literarischen Zitaten, ergibt ein Patchwork, das Thiel weitgehend mit jenem Gespür für Rhythmik montiert, die auch dann noch wirkt, wenn im Laufe der gut 110 Spielminuten eine gewisse Redundanz im Geschehen eintritt. Unabhängig davon, dass in einzelnen Szenen gelegentlich das Tempo schleift, hat Thiel schlicht ein paar Textblöcke zu viel in sein Stück gestemmt.
Andererseits kann man aber auch sagen, was soll`s? Redundanz ergibt sich hier ja schon von vornherein. Allein eben durch das Thema. Das sich dann aber unter Thiels Ägide und im Spiel dieser vier Frauen, tatsächlich – um auf Steiners Frage zu antworten – mit Inhalt auflädt. Oder zumindest mit einer Perspektive.
Und das ganz einfach dadurch, dass Thiel nicht auf Diskursgeplapper, sondern Dramatik, Theater also, setzt. In Szenen immer wieder das sarkastisch Parodierende wegkratzt, um das auch absurd Tragische darunter ahnen zu lassen (was besonders in den Ilias-Exkursen der Inszenierung bestens gelingt). Und parallel dazu im Textgefüge das Polemische gegen das Poetische schneidet.
Bei einem derartigen Sujet etwa Tomas Tranströmer oder Rilke zu hören, ist mehr als nur schön und überraschend – es setzt Kontrapunkte. Und auch durch diese gelingt es der Inszenierung, das Manns-Bild zu demontieren, ohne zu diskreditieren, die böse Farce auch Tragikomödie sein zu lassen – und für einen insgesamt kurzweiligen Theaterabend zu sorgen. Nichts, worauf man vorher gewettet hätte.

Steffen Georgi, Leipziger Volkszeitung , 30. November 2013