MARX UND MAUS

mit: TILLA KRATOCHWIL, MATHIAS LENZ, MATTHIAS ROTT und DANIEL SCHRÖDER

Text: ENSEMBLE mit Beiträgen von KARL MARX, VILMOS und ILSE KORN und CHRISTA WOLF

Ausstattung: JANNA SKROBLIN

Musik: MARKUS HÜBNER und DAN PELLEG

Choreographie: MARKO E. WEIGERT

Produktion: UWE LEHR

Premiere am 11. APRIL 2012 in den Sophiensaelen Berlin

Fotos: Renata Chueire

Neues Deutschland

Proletarier, wo seid ihr?

»Marx und Maus« erklären in den Sophiensaelen mehr als die Finanzkrise

Alles geht seinen marktwirtschaftlich bescheidenen Gang im kleinen Fahrradgeschäft. Neuester Hit ist die »Original-Kopie« eines DDR-Drahtesels. Natürlich mit heutigen Annehmlichkeiten, was die Gangschaltung betrifft. Die flutscht nur so, gepflegt mit kalt gepresstem Olivenöl. Kleiner Solidaritätsbeitrag für die griechischen Freunde.
Man tauscht sich im Laden darüber aus, dass der Wirtschaftsteil der Zeitungen nicht mehr zu begreifen ist. Nur wochenlange Selbstschulung kann helfen. Man muss ja nicht aufgeben. Schon gar nicht, wenn man sich an den Song der Beatles »We can work it out« halten kann.
»Marx und Maus« klären in den Sophiensaelen über die Finanzkrise auf. Erdacht wurde dazu eine Revue durch Tilla Kratochwil und Stephan Thiel von Theaterkosmos 53. Den Machern ist bewusst, dass dazu alles schon erklärt worden ist. Das Fahrrad ist nicht neu zu erfinden. Simpel gesagt, ist bekannt, dass es im Kapitalismus regelmäßig knirscht, als würden Gangschaltung oder Kugellager die Weiterfahrt blockieren. Tja, da zeigt der Kapitalismus also wieder seine Fratze, sagen die Alten. Beim unfreiwilligen Stopp muss jeder aufpassen, dass er nicht über den Lenker fliegt.
Darauf geht man in der munteren Nachhilfestunde ein und nimmt mit »Marx und Maus« der aktuellen Finanzkrise die ihr gern zugeschriebene Exklusivität. Es wird gar nicht erst versucht, die Ursachen auf subjektives Versagen von Bankern zu reduzieren. Was gesagt werden kann, stammt aus dem »Kapital« von Karl Marx. Antonio Negri, Michael Hardt, Jaques Ranciere und Christa Wolf werden zitiert, Sätze aus »Die deutsche Ideologie« und dem »Manifest der kommunistischen Partei« kommen zupass. Aktuell wie eh und je, die Aussagen. Aber kann man noch der These folgen, dass Kredite die Wirtschaft voranbringen? Muss man sich vom Konsum einlullen lassen?
Klug gewählt auch der Hörspieltext aus »Mohr von die Raben von London« von Vilmos & Ilse Korn. Das als alte Kommunistenschwarte verschriene Buch, wie Kratochwil es trotzig lesend bezeichnet, eignet sich bestens, um zu zeigen, wie sich alles im Kreis und ums Geld dreht. Und damit sind wir bei der hier genutzten »Maus«-Methode angelangt, auf das der Rezipient eingerichtet ist. Denn das Prinzip der 1971 für Fernsehanfänger bei der ARD erfundenen Lach- und Sachgeschichten in der »Sendung mit der Maus« wurde problemlos für Erwachsene übernommen, um heute in sogenannten populärwissenschaftlichen TV-Ereignissen die Welt zu erklären.
Humorvoll stellt Kratochwil zusammen mit Mathias Lenz, Matthias Rott und Daniel Schröder den jämmerlichen gesellschaftlichen Zustand mit »Marx und Maus« zur Debatte. Man wirft sich die Stichworte zu. Mitunter sehr verspielt. Kein Problem als Revue und gut choreographiert von Marko E. Weigert. Akustisch allerdings geht das im Hochzeitssaal der Sophiensaele nicht ganz problemlos ab, auch wenn wichtige Fragen deshalb nicht verhallen.
Beispielsweise die nach dem eigentlich notwendigen Widerstand der schamlos Ausgebeuteten. »Proletarier aller Länder, wo seid ihr?«, kommt der Ruf. Die Zustände seien geeignet, sich mal zu rühren. Hallo? »Schafsgeduldig« lasse man alles über sich ergehen. Niemand bäume sich auf. Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will? Ulkig, wie »Marx und Maus« das ins Absurde bringt mit der grandios-hilflosen Idee, alle Kaffeemaschinen und Milchschäumer als fürchterliches Ereignis mal einen Tag still stehen zu lassen.
Zurück ins Fahrradgeschäft. Hier war anfangs per Kurier eine Kiste mit Geld eingetroffen. Immer wieder ist geschickt ins Stück eingebaut, welche Fragen und Folgen dieser Besitz mit sich bringt. Denn alles endet, wie es enden muss. Das Zahnrad greift. Wem das nicht passt, der kann ja gehen.