SEKRETÄRINNEN

von Franz Wittenbrink

mit: WIEBKE ADAM-SCHWARZ, AMADEUS BOYDE, FRANZISKA HOFFMANN,

SANDRA HUIMANN, URSULA SCHUCHT, ANKE TEICKNER, HOLGER THEWS, JULIA VINCZE

Bühne: HALINA KRATOCHWIL

Musik.Leitung: AMADEUS BOYDE

Premiere am 6. FEBRUAR 2010 in den Landesbühnen Sachsen

Fotos: Martin Krok

Dresdner Neueste Nachrichten

VON SCHREIBKRAFTS FREUD UND LEID – „SEKRETÄRINNEN“ AN DEN LANDESBÜHNEN

Sie bringen es auf mehr Anschläge also so mancher Top-Terrorist – und in diesem Fall ist das gut so. Schnell tippen ist aber nicht das einzige, was von einer Sekretärin verlangt wird. Je nach Bedarf müssen die ewig dienstbaren und unverzichtbaren Geister einer Firma zudem Akten wälzen können, Seelen trösten, Chefs und deren Launen ertragen…
Es war 1995, da hat Franz Wittenbrink mit „Sekretärinnen“ einen szenischen Liederabend verfaßt, der eine Hommage auf einen Berufsstand ist, dessen Berufsbild sich durch die neuen Medien erheblich verändert hat. Klemmende oder kippelnde Tasten, blockierende Wagen, springende Tabulatoren? Das war einmal. Computer und Software-Programme haben andere Tücken zu bieten.
Nun hat Stephan Thiel an den Landesbühnen Sachsen eine Inszenierung erstellt, die wärmstens ans Herz gelegt werden kann.
Das liegt einmal an den vielen kleinen, entzückenden Einfällen der Regie, zum anderen am überzeugend agierenden Ensemble. Es macht schlichtweg Spaß, den Sekretärinnen Franziska Hoffmann, Sandra-Maria Huimann, Wiebke Adam-Schwarz, Ursula Schucht, Anke Teickner und Julia Vincze bei der Arbeit zuzusehen und den von ihnen mal solo, mal gemeinsam vorgetragenen Liedern zu lauschen.
Die Szenerie (Ausstattung: Halina Kratochwil) an sich hat den Charme eines Bunkers. Graue Wand. Schwere Stahltür, durch die jede der sechs nur mit einem Buchstaben „benannten“ Sekretärinnen im Verlauf des Abends mal kurz nach einem Brummton zum Diktat oder was sonst auch immer verschwindet. Einzige Verbindung nach außen sind die Telefone, einer ständig Angerufenen ist so zum Glück möglich, ein verliebtes „Ich dich auch“ zurückzugurren.
Und da sind die Arbeitsplätze. Die weißen Schreibmöbel. Sehr funktional. Eine Ruderbank auf einer Galeere hat auch nicht weniger Komfort. Die Tastatur wird schon mal zum Ruder umfunktioniert und durchaus sogar malträtiert, aber letztlich ist ein Entkommen unmöglich.
Sechs Sekretärinnen verrichten hier ihren Dienst. Eine Zweckgemeinschaft. Animositäten und Hierarchien sind durchaus auszumachen, aber wie im realen Leben wird der Schein gewahrt, kommt es nur einmal dazu, daß der Stutenbissigkeit freier Lauf gelassen wird. Da wird einander beteuert, daß die andere die beste Freundin ist, doch Mimik und Gestik sagen – das ist gut ausgespielt – was ganz anderes. In 35 Liedern, vom Schlager bis zur Arie, vom Volkslied bis zum Pop – oder HipHop-Hit, wird vermittelt, wie es um das Gefühlsleben der Damen bestellt ist.
Ganz ohne Männer aber geht auch diese Chose nicht. Mal abgesehen davon, daß Amadeus Boyde am Klavier sitzt, ist in der Stahltür noch eine kleine Klappe. Durch die schlüpft von Zeit zu Zeit dann doch ein männliches Wesen (Holger Uwe Thews) in diese Computer-Kemenate. Nein, nicht der Chef, sondern ein Bürobote. Aus manchem Sekretärinnenblick ist ein deutliches „Ausziehen, Ausziehen“ herauszulesen. Und wenn Thews in Latin-Lover-Manier Eros Ramazottis „Se bastasse una bella canzone“ anstimmt und einen an einen California Dream Man erinnernden und zu Recht mit viel Jubel bedachten Auftritt hinlegt, wird er endgültig zum Objekt der Begierde und projizierten Sehnsüchte.
Am Ende singt er dann James Browns „This is a man`s world“. Aber da haben dann die Sekretärinnen endlich Feierabend. Soll er doch sehen, wo er bleibt. Ohne Sekretärinnen ist er aufgeschmissen. Und auch sonst ist die Welt der Männer ohne Frauen verdammt trostlos.